Interview mit Uwe Lügering von Mettler Toledo
Business Lunch: Röntgeninspektion in der Lebensmittelherstellung
Donnerstag, 17. November 2022
| Redaktion
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Uwe Lügering, Mettler-Toledo PI Experte für Röntgeninspektionssysteme
Uwe Lügering, Experte für Röntgeninspektionssysteme, im Interview mit LMV-online.de, Bild: Mettler Toledo

Röntgeninspektionssysteme tragen weltweit zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und Verbesserung der Qualitätskontrolle bei. Dennoch hegen manche Nahrungsmittelhersteller noch immer Vorbehalte gegenüber der Technologie. LMV-online.de sprach darüber mit Uwe Lügering von Mettler-Toledo. Der Produktinspektionsexperte für Röntgeninspektionssysteme gibt im Interview einen Überblick über die Einsatzmöglichkeiten und versucht, Bedenken über den Einsatz von Röntgenstrahlung in der Lebensmittelverarbeitung aus dem Weg zu räumen. Zudem beschreibt er die behördlichen Erfordernisse bei der Implementierung eines Röntgeninspektionssystems.

1. Amuse-Gueule
LMV-online.de: Herr Lügering, Röntgeninspektion zählt in der Lebensmittelbranche zu den etablierten Verfahren in der Qualitätskontrolle. Dennoch stößt sie manchmal auf Vorbehalte. Teilen Sie diese Einschätzung und können Sie Beispiele nennen?

Ja, das kann ich so bestätigen. Generell lässt sich sagen, dass sich die Röntgeninspektion in der Lebensmittelbranche in den letzten zwanzig Jahren zunehmend als das Standardverfahren zur Erkennung von Fremdkörpern etabliert hat, sobald das Risiko besteht, dass neben metallischen Fremdkörpern auch Glas, Steine, Kunststoffe hoher Dichte oder Gummi ein Kontaminationsrisiko für das erzeugte Lebensmittel darstellen. Lebensmittelhersteller stehen häufig vor der Entscheidung: Genügt ein Metalldetektionssystem zur Fremdkörpererkennung oder ist es sinnvoller in ein Röntgeninspektionssystem zu investieren, da es eine breitere Palette an Kontaminationsrisiken abdeckt? Manchmal ist es auch ideal, beide Technologien ergänzend zueinander einzusetzen. Hierzu bedarf es immer einer anwendungsbezogenen Risikoabschätzung. Was den rein wirtschaftlichen Aspekt betrifft, so ist festzuhalten, dass der gegenüber einem Metalldetektionssystem erforderliche Mehrinvest für ein Röntgeninspektionssystem heute nicht mehr so hoch ausfällt wie noch vor einigen Jahren. Die Entscheidung für ein Röntgeninspektionssystem fällt Lebensmittelherstellern daher heute insbesondere leichter, wenn sie das System zusätzlich auch für weitere Verfahren zur Qualitätsprüfung ihrer Produkte einsetzen können.

Röntgeninspektion eignet sich für Massenbestimmungen, das Zählen von Komponenten sowie das Erkennen von fehlenden oder beschädigten Produkten. Wir sprechen hier also im weitesten Sinne von einer Kontrolle auf Vollständigkeit und fehlerfreie Befüllung, seien es Pralinenschachteln, Fertiggerichte oder Katzensticks. In die gleiche Rubrik ist die Überwachung von Füllständen bei Flaschenabfüllungen einzuordnen, bei denen mittels Röntgeninspektion der Kopfraum der Flaschen inspiziert wird. Zu guter Letzt ist noch die Kontrolle der Verpackungen auf Beschädigungen und Unversehrtheit zu nennen.

2. Vorspeise
LMV-online.de: Wie sicher ist Röntgeninspektion? Welche Gefahr geht von ihr für  Mitarbeiter oder die Gesundheit der Verbraucher aus? Wie berechtigt sind eventuelle Vorbehalte, was den Einsatz von Röntgenstrahlung in der Lebensmittelindustrie angeht?

Der Einsatz von Röntgenstrahlung in der Produktinspektion, Qualitätskontrolle und der Behandlung von Lebensmitteln unterliegt weltweit strengen behördlichen Auflagen. Dabei gilt es hinsichtlich der verwendeten Strahlendosis zwei Anwendungsbereiche klar voneinander zu unterscheiden. Erstens, den Einsatz von Inspektionssystemen zur Fremdkörperdetektion und zur Qualitätskontrolle. Der Bereich also, wo wir mit Mettler-Toledo zu Hause sind. Und zweitens, die Behandlung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen, um dadurch die Anzahl von Mikroorganismen zu reduzieren, eine längere Lagerfähigkeit des Lebensmittels oder eine Verzögerung des Reifeprozesses zu erzielen.

Letztere Anwendungen sind in der EU, wenn auch nicht länderübergreifend einheitlich, so doch sehr streng reglementiert. So ist eine derartige Bestrahlung in Deutschland zum Beispiel nur für Kräuter und Gewürze erlaubt. Generell gilt, dass für bestrahlte Lebensmittel, die in Deutschland oder in anderen Ländern der EU verkauft werden sollen, immer erst eine Zulassung beziehungsweise eine Ausnahmeregelung zu beantragen ist.

Mir ist wichtig, dass wir hier eine klare Trennung zwischen der Röntgenbehandlung von Lebensmitteln, die in der EU aus guten Gründen sehr streng und restriktiv gehandhabt wird, und dem Einsatz von Röntgentechnologie zur Fremdkörperdetektion und Qualitätskontrolle ziehen. Im Vergleich zum Einsatz von Röntgenstrahlen zur Behandlung von Lebensmitteln sprechen wir in der Produktinspektion von einer enorm geringeren Strahlendosis, die auf das Lebensmittel einwirkt. Ich denke, je mehr und je detaillierter dazu die Aufklärung, desto mehr lassen sich eventuelle Vorbehalte gegen eine Röntgeninspektion zur Fremdkörperdetektion und Qualitätskontrolle aus dem Weg räumen.

3. Zwischengang
LMV-online.de: Was verstehen Sie unter Aufklärung, wenn es um Röntgenstrahlung geht?

Wir dürfen nie vergessen, dass beim Thema Strahlung oft auch eine diffuse Angst vor einer nicht sichtbaren Gefahr mitschwingt. Solche Ängste und Befürchtungen gilt es ernst zu nehmen. Und ich glaube, diese können nur abgebaut werden, wenn man mit dem Thema offen und sachlich umgeht. Zahlen sind da hilfreich. Es geht im Kern um die Höhe der Strahlendosisrate sowie die Zeit, welche die Strahlung auf das Lebensmittelprodukt einwirkt, die Größenordnungen und welche Auswirkungen welche Strahlendosis haben kann. Eine Studie der WHO aus dem Jahr 1997 kam zum Ergebnis, dass Strahlendosen bis zu zehn Kilogray, also 10.000 Gray, keinen negativen Einfluss auf die Sicherheit oder den Nährwert von Lebensmitteln haben. Die US-amerikanische Food and Drug Administration FDA sieht eine Dosis unter einem Kilogray, also 1.000 Gray, nicht als Bestrahlung an. Beim Bestrahlen von frischem Hühnerfleisch, um Salmonellen abzutöten, wie es in den Vereinigten Staaten nicht ungewöhnlich ist, sprechen wir als Hausnummer von Strahlendosen bis zu 4,5 Gray. Die Produzenten bewegen sich also auch hier in der Range, die laut WHO-Studie Sicherheit und Nährwert des Lebensmittels nicht beeinträchtigt. Was mir aber viel wichtiger ist, ist zu betonen: Im Vergleich zum Einsatz von Röntgenstrahlen zur Behandlung von Lebensmitteln sprechen wir in der Produktinspektion, wie schon gesagt, von einem um einen vielfach niedrigeren Faktor an Strahlung, die auf das Lebensmittel einwirkt.

4. Hauptgang
LMV-online.de: Welcher Strahlendosis sind Lebensmittel im Rahmen der Fremdkörperdetektion typischerweise ausgesetzt?

Wir bewegen uns bei der Produktinspektion üblicherweise in einem Bereich bis zu maximal 200 Mikrogray, oder anders gesagt 200 Millionstel Gray. Noch einmal zur Erinnerung: Alles unter 1.000 Gray fällt nach FDA-Kriterien nicht unter Bestrahlung. Oder anders gesagt: Das Lebensmittel erfährt bei der Produktinspektion eine Strahlenexposition, die sich vielleicht bei einem Fünfmillionstel des Werts bewegt, ab dem diese von der FDA als Bestrahlung zu klassifizieren ist. Die Röntgeninspektionssysteme unterliegen strengen Auflagen, was deren Inbetriebnahme sowie die zulässigen Strahlenbelastungen für das Bedienpersonal betrifft. So beträgt die in Deutschland zulässige Höchstgrenze für die aus einem Röntgeninspektionssystem austretende Strahlung ein Mikrosievert pro Stunde. Um zum besseren Verständnis diesen Wert in Relation zu setzen: Im Durchschnitt ist jeder Mensch auf der Erde einer ionisierenden Strahlung aus natürlichen Quellen von etwa 2.400 Mikrosievert pro Jahr ausgesetzt. Bei Piloten und Kabinenpersonal beträgt die berufsbedingte zusätzliche jährliche Strahlenbelastung etwa 2.000 Mikrosievert. Vielleicht ist es wichtig, an dieser Stelle noch einmal anzumerken, dass moderne Röntgeninspektionssysteme sowohl im Food- wie auch im Pharmabereich keine direkten Strahlungsquellen wie Uran verwenden. Die Strahlung wird elektrisch erzeugt und kann daher an- und abgeschaltet werden. Sie unterscheidet sich damit von Strahlungsquellen wie etwa Uran, die auf natürliche Weise Strahlung in Form von Alpha-, Beta- oder Gammastrahlen emittieren und nur durch ein ordnungsgemäßes Containment sicher gemacht werden können.

5. Dessert:
LMV-online.de: Wie hoch sind die behördlichen Hürden bei der Implementierung eines Röntgeninspektionssystems?

Vor der Inbetriebnahme sind selbstverständlich alle sich aus der Strahlenschutzverordnung und dem Strahlenschutzgesetz ergebenden behördlichen Auflagen an die Arbeitssicherheit zu erfüllen. Hersteller, die über noch keine Erfahrungen mit Strahlenschutzauflagen gesammelt haben und hierfür nicht über unternehmensinternen Ressourcen verfügen, sollten darin aber keine unüberwindbare Hürde sehen. Kompetente und erfahrene Anbieter von Röntgeninspektionssystemen stehen hier ihren Kunden im Regelfall gerne zur Seite. So begleiten und beraten etwa wir bei Mettler-Toledo den Kunden bei der Einführung gerne über den gesamten Prozess der Implementierung - von den ersten Schritten der behördlichen Anmeldung über die Schulung des Bedienpersonals bis zur Inbetriebnahme des Systems in der Linie. Selbstverständlich unterstützen wir ihn auch im Qualifizierungsprozess, bei der Dokumentation sowie mit umfangreichen weiteren Service- und Maintenance-Leistungen im Anlagenbetrieb. Oder anders gesagt: Ich würde die Entscheidung für ein Röntgeninspektionssystem nicht davon abhängig machen, ob ich bereit bin, alle damit verbundenen administrativen Qualifikationen In-House aufzubauen. Hier kann es gerade für kleinere Hersteller sinnvoll sein, sich operativ der Vorteile eines Röntgeninspektionssystems in der Produktinspektion zu bedienen und administrativ auf Add-on-Leistungen ihres Lieferanten zuzugreifen.

Herr Lügering, wir bedanken uns für das interessante Gespräch!
 

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