Business Lunch mit Peter Bartholomäus von Infraserv Wiesbaden

Vier Gänge mit fünf Fragen

Peter Bartholomäus, Geschäftsleitungsvorsitzender Infraserv Wiesbaden (ISW)

Der Standortbetreiber und Industrieparkdienstleister Infraserv Wiesbaden (ISW) betreibt den 96 Hektar großen Industriepark Kalle-Albert in Wiesbaden. Susanne Woggon von lebensmittelverarbeitung-online.de (kurz: LMV-online.de) sprach mit dem Geschäftsleitungsvorsitzenden Peter Bartholomäus über seinen praxisnahen Weg hin zur digitalen Transformation, die Bedeutung von cloudbasierten IIoT-Lösungen für die systematische Auswertung großer Datenmengen sowie schlaue Ideen für Getränkehersteller, die teure Produktionsstillstände auf ein Minimum reduzieren.

3. Zwischengang

LMV-online.de: Die besten Ideen sollten aus den eigenen Reihen kommen. Man muss den Prozess nur fördern. Hat ISW hier eine spezielle Methode? Können Sie ein konkretes Beispiel für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie aus Ihrer Praxis benennen?
Ideen sind ein großer Schatz, den es immer wieder neu zu heben gilt. Wir setzen dabei vor allem auf den Dialog mit Kunden und die Kooperation mit Partnern, die spezielle Kompetenzen mitbringen. Ebenso wichtig ist die Kreativität unserer Mitarbeiter. So haben wir das Innovation Lab etabliert, in dem junge ISW-Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen wie IT oder Automatisierungstechnik mit großer Neugier neue Themen rund um die Digitalisierung aufspüren. Sie formulieren neue, digitale Anwendungsmöglichkeiten im Industriepark. Dann prüfen wir, ob und mit welchen Ressourcen diese ohne bürokratischen Aufwand weiterverfolgt und ausprobiert werden können, bevor der Innovationsprozess weitergeht.

Der „Open Innovation Circle“ ist ein Forum zum firmenübergreifenden Erfahrungsaustausch für Betriebsingenieure und Produktionsleiter gemeinsam mit den IT-Fachleuten. Die Produkte unser Standortunternehmen sind sehr divers und reichen von Lebensmittelverpackungen über Waschmittel bis hin zu Kunststofffolien. Dennoch gibt es mit Blick auf die Prozesse große Schnittmengen, beispielsweise, wenn es um die Auswertung großer Datenmengen geht oder den Einsatz von Industriedrohnen oder Augmented-Reality-Geräten. Auch hier ist das Ziel, neue Ideen oder auch Maßnahmen, um dringende Kundenprobleme zu lösen, schnell einem Praxischeck zu unterziehen. Scheitern gehört natürlich auch hier dazu, aber die Chance für Innovationen wird durch solche Foren größer.

Als Standortbetreiber wollen wir unseren Kunden über diese Initiativen einen stets wachsenden Baukasten mit allen wesentlichen Elementen für die Digitalisierung anbieten. Das beinhaltet auch das drohnen- oder 3D-unterstützte „Building Information Modelling“ bei der Planung von Anlagen und neuen Gebäuden. Die Kommunikation über digitale Themen hat sich insgesamt beschleunigt und die Hemmschwellen, sich diesem Trend zu öffnen, sind gesunken. Das ermöglicht uns heute, auch Ideen und technische Potenziale zu diskutieren, die noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung stehen.

Eine Innovationsquelle ist nicht zuletzt auch unser internes Ideenmanagement. Mitarbeiter können auf einer Internetplattform Ideen einstellen, die auf technische Verbesserungen, schlankere Prozesse oder Kosteneinsparungen abzielen. Über diesen Weg ist letztes Jahr ein mobiler Ventilprüfstand entstanden, der unseren Kunden in der Wein- und Sektproduktion das Leben erleichtert. Einer unserer Kundenberater, der regelmäßig im Rheingau unterwegs ist, hat eine Lösung vorgeschlagen, um die Wartung und Instandhaltung von Sicherheitsventilen in den Kellereien zu vereinfachen. Früher wurden defekte Bauteile ausgebaut, in unsere Werkstatt gebracht und nach der Reparatur wieder zurückzugebaut. Das war zeitaufwändig und ging für Getränkehersteller mit längeren Stillstandzeiten einher. Jetzt haben wir einen mobilen Prüfstand für Sicherheitsventile im Einsatz und können direkt vor Ort arbeiten und sofort alle notwenigen Zertifikate ausstellen. Über die digitale Anbindung dieser Dienstleistung an unsere cloudbasierten Rechnerplattformen lässt sich ihre Effizienz zukünftig sicherlich noch steigern.

4. Hauptspeise

LMV-online.de: ISW bietet auch Komplettlösungen für Rohrleitungssysteme in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie an. Welche Leistungen umfasst das Paket?
Wir kommen aus der Chemieindustrie, wo überwiegend Schwarzstahl verbaut wird, der aber aufgrund von Hygiene- und anderen Sicherheitsvorschriften für weite Bereiche der Lebensmittel- und Getränkeindustrie nicht in Frage kommt. Reinlichkeit ist in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie essenziell wichtig, deshalb darf es zum Beispiel auch keinerlei Rückstände in den Leitungen geben.

In den vergangenen Jahren haben wir unsere Expertise im Rohrleitungsbau für die chemische Produktion systematisch in Richtung Lebensmittel- und Getränkeindustrie erweitert. Wir kennen uns deshalb mittlerweile auch sehr gut mit Edelstahlleitungen aus, die höheren Sicherheitsstandards genügen. Für zahlreiche Getränkeproduzenten in unserer weinreichen Region sind wir bereits ein bevorzugter Geschäftspartner für Rohrleistungssysteme. Hier haben wir Topstandards für die sogenannte „Good Manufacturing Practice“ erreicht, was zum Beispiel die Sauberkeit und Trennung der Verarbeitungsprozesse anbelangt. Unser mittelfristiges Ziel ist die Übertragung dieser Rohrleistungsbau-Kompetenzen auch in Richtung Pharma.

5. Dessert

LMV-online.de: Zum Abschluss eine persönliche Frage: In Wiesbaden gibt es einiges zu entdecken. In Ihrer Freizeit sind Sie am liebsten …?
Unser Industriepark ist mir sehr ans Herz gewachsen, deshalb bin ich hier oft unterwegs und schaue mir auch neben der normalen Arbeitszeit den Fortschritt auf unseren Baustellen an. Im normalen Tagesgeschäft schaffe ich das leider zu selten. Bei solchen Besichtigungen ohne Termindruck kommen mir nicht selten neue Ideen, wie das eine oder andere Vorhaben vorangebracht werden kann. Daneben verbringe ich möglichst viel Zeit mit meiner Familie, mit meiner wunderbaren Frau und unseren zwei Kindern. Am liebsten sind wir gemeinsam auf Reisen und genießen die Zeit fernab des Alltags. Zudem komme ich aus einer großen Familie mit vier Geschwistern, die mir sehr wichtig sind. Und wir haben einen großen Freundeskreis. In der zugegebenermaßen überschaubaren Freizeit haben meine Frau und ich besonders viel Freude beim Besuch von Musikveranstaltungen, wofür es hier in der Rhein-Main-Region ein riesiges Angebot gibt.

Herr Bartholomäus, wir danken Ihnen für das offene und interessante Gespräch!

Hintergrundinformationen
Die Unternehmensgruppe Infraserv Wiesbaden beschäftigt rund 900 Mitarbeiter am Standort und erzielte 2018 einen Umsatz von 185 Millionen Euro. Peter Bartholomäus ist seit 2012 bei ISW als Vorsitzender der Geschäftsleitung tätig. Er ist außerdem Mitglied der Geschäftsleitung bei der Tochtergesellschaft ISW-Technik. Bartholomäus hat Energie- und Verfahrenstechnik studiert und war zuvor in verschiedenen Fach- und Führungsfunktionen in Deutschland und Asien tätig.