Deutsche Lebensmittelindustrie zieht pessimistische Halbjahresbilanz

Weiterhin hohe Kosten belasten Hersteller

BVE Geschäftsführer Olivier Kölsch

Die Halbjahresbilanz der deutschen Ernährungsindustrie fällt gemischt aus. So konnte die Branche im ersten Halbjahr 2023 insgesamt nur ein leichtes reales Umsatzwachstum von 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnen. Während das Ausland den preisbereinigten Umsatz um rund ein Prozent steigern konnte, schwächelte das Inland und stagnierte nahezu. In nominalen Zahlen ausgedrückt erwirtschaftete die Branche zwischen Januar und Juni 2023 insgesamt 116,6 Milliarden Euro, was ein nominales Plus von rund 13 Prozent verglichen mit dem Vorjahreszeitraum bedeutet. Im Inland betrug der Umsatz insgesamt 76 Milliarden Euro und lag damit 14 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Im Ausland fiel das nominale Wachstum mit plus knapp elf Prozent etwas geringer aus und betrug 40 Milliarden Euro.

Auf der Kostenseite spielten für die Unternehmen die Agrarrohstoffpreise eine wesentliche Rolle. Insbesondere in den Jahren 2021 und 2022 sah sich die deutsche Lebensmittelindustrie mit einem deutlichen Anstieg der Rohstoffpreise konfrontiert. Diese sind zuletzt etwas gesunken, verbleiben jedoch auf vergleichsweise hohem Niveau. Von Januar bis Juni 2023 sank der HWWI-Rohstoffpreisindex für Nahrungs- und Genussmittel um mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, auch bedingt durch den stark aufkommenden Basiseffekt: Im Frühjahr 2022 erreichten die Agrarrohstoffpreise ihren Höhepunkt. Vergleicht man den Index für Nahrungs- und Genussmittel mit dem ersten Halbjahr 2019, also dem Vorkrisenniveau, so steht dieser immer noch gut 86 Prozent über den damaligen Werten. Die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte verteuerten sich im Vergleich zum Vorjahr um rund vier Prozent. Insbesondere Produkte tierischer Erzeugung stehen mit eine Plus 13 Prozent noch deutlich über dem Niveau vom ersten Halbjahr 2022, während die Produkte pflanzlicher Erzeugung mit minus neun Prozent im selben Zeitraum nachgaben. Zuletzt stiegen die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft wieder, sodass erneut ein Kostendruck entsteht.

Pessimistische Stimmung bei der Ertragslage

Aufgrund langanhaltend hoher Kosten für die deutsche Ernährungsindustrie, insbesondere bei Energie und Rohstoffen, stehen auch die Erträge vieler Unternehmen unter Druck: Bei der Ifo-Konjunkturumfrage für Mai 2023 zeigte sich bei der Befragung zur „Beurteilung der Ertragslage" im Ernährungsgewerbe und der Tabakverarbeitung, dass die Mehrheit der Unternehmen diese als überwiegend negativ einschätzt. Lediglich 14 von 100 bewerteten diese mit „gut", während 36 sie als „schlecht" einschätzten und 49 als „befriedigend". Bei der „Ertragslage Entwicklung" gaben lediglich 25 von 100 das Urteil „günstiger" ab, 53 sprachen von 100 „ungünstiger" und 22 antworteten mit „gleichbleibend".

„Der Blick ins vergangene Halbjahr zeigt, dass die deutsche Ernährungsindustrie nach wie vor ein wohlstandssichernder Faktor für die Wirtschaft in Deutschland ist. Umso wichtige ist es, ihre Zukunftsfähigkeit zu fördern. Wir dürfen nicht riskieren, dass notwendige Investitionen in Effizienz und Nachhaltigkeit aufgrund einer zu hohen Kostenbelastung nicht getätigt werden", erklärt Olivier Kölsch, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie.

Standortfaktoren der Lebensmittelindustrie in Deutschland verschlechtern sich

Der Blick nach vorne ist vor allem von großer Unsicherheit geprägt. Ein notwendiger positiver Wachstumstrend sowie notwendige Investitionen in Nachhaltigkeit sind auch geknüpft an die zukünftigen Standortfaktoren in Deutschland. Hier belegt Deutschland laut Stiftung Familienunternehmen in 2023 in seiner jährlichen Publikation zum Länderindex Familienunternehmen sowohl bei den Kategorien „Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital" als auch „Regulierung" und „Energie" einen der hintersten Plätze. Olivier Kölsch stellt fest, dass die deutsche Lebensmittelindustrie krisenfest sei. Gleichzeitig warnt er: „Aber ihre Strapazierfähigkeit hat auch Grenzen: Und die sind erreicht, wenn die Politik mit schlecht durchdachten Regulierungen und zu viel Bürokratie den Industriestandort Deutschland gefährdet".
 

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